Von N'Djamena bis zum Zakouma Nationalpark - eine Erkundungsmission der deutschen Botschaft im Tschad.
Wo sollte man hingehen und helfen, wenn man als NGO im Ausland tätig werden möchte. Elend gibt es überall. Aber in Zentralafrika, da findet man es besonders.
So wandte ich mich an die Deutsche Botschaft im Tschad, die eine Expedition quer durch das Land vom Westen in N'Djamena in den Osten zum Zakouma Nationalpark planten und ärztliche Betreuung begrüßten. Ein 7t gepanzertes Fahrzeug, einem mit 2 Ersatzreifen je Auto, 200l Benzin, 200l Wasser beladenen PickUp und mit einer Karte zur Routenplanung von 1980 bewaffnet wagte man die 700km in einem beschaulichen Team von 4 Deutschen und 3 Tschadern. 23,5h "Straßen" und "Wege", viele Schlaglöcher (hälftig weggespülte Straßen) und eine Sackgasse durch überschwemmtes Sumpfland führten uns durch den "wahren" Tschad. Den Tschad mit "kalkulierbarem Sicherheitsrisiko".
Jedes Dorf, dass man durchstreift ist an der Straße geschmückt von einem Blechschild. Wasser, Schulen oder andere Hilfe gebracht durch Europa und internationale Hilfsorganisationen. Wo immer man aussteigt umhüllen einen in kürzester Zeit dutzende von Kindern mit Schüsseln um nach Essen oder Geld zu fragen und ihre neugierde zu befriedigen. Armut und Lebensstandard sind hier Worte, die einem Europäer neu definiert werden. Kinder scheinen der einzige Luxus zu sein, der dieser armen Gesellschaft bleibt. Folglich ist die durchschnittliche (!) Kinderzahl pro Tschaderin nahezu 7. Auch wenn nicht darüber geredet und es nicht gesehen wird, beschnitten ist hier auf dem Land sei hier jede Frau und fast jedes Mädchen.... unabhängig welcher religiösen Zugehörigkeit.
Zwischen jenen Erfahrungen und einer Übernachtung im Auto am Straßenrand bei fehlkalkulierter Fahrdauer überraschen einen doch bei aller Vorbereitung mittelschwere Katastrophen.
Bei durch Malariamedikation induziertem schwersten Erbrechen bei Übelkeit und Nausea, bis hin zu Diarrhoe durch Konsum von lokalem Wasser oder Nahrung konnte ich im Namen von IMS Hilfe leisten. Auch einem lokalen Verkehrsopfer mit 80%igem Zungendurchbiss konnte ich mit einer Wundversorgung unterstützen.
Mit Diplomatenkennzeichen an Straßensperren von bewaffneten Soldaten zum Aufsteigen aufgefordert zu werden entspricht einer Sicherheitslage, die einem den Schweiß auf die Stirn treibt und einen dankbar für die privilegierte Reisekonstellation und ein erfahrenes Team macht.
Aus meiner Sicht und der Sicht vieler Zeugen ist der Tschad ein humanitäres Disaster. Die Regierung bevorzugt sein Land durch NGO's ernähren zu lassen als selber Maßnahmen zu ergreifen um die Armut und das Elend zu bekämpfen. Ein Land, das seit 3 Generationen verlernt hat sich selbst zu helfen und humanitäre Ansätze die Hilfe zur Selbsthilfe verfehlten scheint mehr Altruismus, Leidenschaft und Gelder zu verbrauchen als sie zu nutzen.
Trotz der unbeschreiblichen Erfahrung die dieses Land für mich darstellte sehe ich aktuell für keinen Arzt oder Helfer hier die Chance nachhaltig die Situation zu ändern und das Risiko der Selbstgefährdung als kalkulierbar zu hoch...
https://www.newyorker.com/magazine/2017/12/04/lake-chad-the-worlds-most-complex-humanitarian-disaster
Nadya Guellil ist Vorstandsmitglied von Independent Medical Support e.V. bei Fragen steht sie euch immer unter guellil@ims.ngo zur Verfügung.